Von solchen Mandanten träumt der Rechtsanwalt: Da fühlt sich jemand von seiner Rechtsanwältin falsch beraten – offenbar lief das Verfahren nicht wie gewünscht – und klagt deshalb gegen Sie, verliert aber vor dem Landgericht, das keine fehlerhafte Beratung erkennen mag. Daraufhin wechselt der Traum-Mandant erneut den Rechtsanwalt (jetzt wohl zu Nummer 3, denn irgendwer muss ihn ja wohl vor dem Landgericht vertreten haben), er will in Berufung gehen.
Rechtsanwalt Nr. 3 nimmt das Mandat an und legt Berufung ein, kommt dann aber zu der Ansicht, dass die Sache keinerlei Erfolg verspricht, weil Anwältin Nr. 1 kein Beratungsfehler nachzuweisen ist. Das teilt er dem Traum-Mandanten mit und fragt, ob die Berufung zurückgenommen werden soll. Ohne weitere Mitteilung werde er keine Begründung einreichen ( womit sich die Berufung natürlich erledigt hätte). Der Traum-Mandant hat zufällig an dem Tag einen Anwaltstermin, allerdings bei Anwalt Nr. 4. Dem überträgt er jetzt auch das Mandat für die Berufung. Anwalt Nr. 4 liefert die Begründung, dummerweise wird die Berufung vom zuständigen OLG einstimmig abgewiesen.
Damit ist die Sache jedoch nicht vorbei – denn Anwalt Nr. 3 möchte vom Traum-Mandanten nun die Gebühren für das Einlegen der Berufung. Der will aber nicht zahlen. Daraufhin geht der Streit vom Amtsgericht (entscheidet für den Anwalt) über das Landgericht (entscheidet für den Traum-Mandanten) und schließlich per Revision vor den BGH. Der IX. Zivilsenat gab dann wieder den Amtsrichtern bzw. Rechtsanwalt Nr 3 recht und verdonnert den Traum-Mandanten zur Zahlung. Dass Anwalt Nr. 3 zum Zurücknehmen der Berufung geraten hatte, statt eine Begründung zu schreiben, sei kein vertragswidriges Verhalten im Sinne von § 628 BGB.
Eigentlich kann man das einsehen. Realitäten zu akzeptieren, ist für Dienstleister kein Vertragsbruch. Wenn ich zum Arzt gehe und der sich nach eingehender Untersuchung meines Kopfes weigert, die von mir gewünschte Lobotomie vorzunehmen, weil die medizinisch nicht indiziert ist, dann wird er trotzdem ein Honorar haben wollen. Außerdem glaube ich, dass der Traummandant ja doch immerhin Einiges von der Sache hatte – er konnte noch einen Prozess führen und den sogar bis vor den BGH. (Wie viele Anwälte er dabei nacheinander beauftragt hat, steht leider nicht im Urteil.) Ob er jetzt versucht, damit noch zum BVerfG und zum EuGH zu kommen? Wenn er einen Anwalt finden, der’s probiert? Das ist aber, zugegeben, reine Spekulation.
Links:
- BGH, Urteil vom 26.9.2013 – IX ZR 51/13
- Kostenlose-Urteile.de: „Anwaltlicher Vergütungsanspruch auch bei beratungsresistenter Mandantschaft“