OLG Köln: Abmahnkosten abrechnen, die gar nicht entstanden sind? Kein Betrug.

Gepostet von am Donnerstag, 27 Juni, 2013 in Allgemein, Fundstück-Sammlung | Keine Kommentare

Das OLG Köln hatte es mit einem Online-Händler und einem Rechtsanwalt zu tun, die in der ersten Instanz wegen Betrugs in 190 Abmahnfällen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden waren – der Rechtsanwalt war zudem mit einem befristeten Berufsverbot belegt worden. Die beiden hatten gemeinsam im Internet Online-Händler ausgesucht, der Rechtsanwalt hatte ihnen Abmahnungen zukommen lassen und sie zur Zahlung von Gebühren aufgefordert. Die Abmahnungen waren jedoch rechtlich allesamt nicht haltbar und der Streitwert wurde vom Anwalt bewusst viel zu hoch angesetzt, um so eine entsprechend hohe Gebührenforderung erzielen zu können.

In der Revision sind die beiden vom OLG Köln freigesprochen worden (Beschluss des OLG Köln vom 14.05.2013, III-1 RVs 67/13). „Wieso denn das?“ fragen Sie sich? Die Erklärung erfordert ein wenig Geduld für das juristische Detail.  Für die Richter stand die Frage im Zentrum, ob eine unberechtigte Abmahnung auch eine Täuschungshandlung darstellt – denn ohne Täuschung kein Betrug.

Ein Betrug setzt immer voraus, dass der Täter das Betrugsopfer durch eine Täuschungshandlung bezüglich einer Tatsache in die Irre führt – also etwas Falsches als wahr darstellt oder eine Tatsache vertuscht (“ … durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält …“ – so definiert es der Betrugsparagraph  § 263 StGB).

Als „Tatsache“ gelten sinnlich wahrnehmbare Vorgänge, die letztlich beweisbar sein müssen – etwa, dass eine Gemälde wirklich von Rembrandt stammt oder ein Schmuckstück tatsächlich aus Gold besteht, etc. Nicht auf Tatsachen beziehen sich dagegen eine Meinungsäußerung oder das reine Werturteil als subjektive Werteinschätzung. Das ist beispielsweise der Fall, wenn jemand seinen wertlosen Plunder mit Sätzen anpreist wie „Dieses Gemälde ist meisterhaft ausgeführt.“ oder „Diese Goldkette wirkt ausgesprochen edel“.

Allerdings ist in der Praxis die Abgrenzung nicht immer so klar und einfach. In einem Werturteil kann auch ein Tatsachenkern enthalten sein. Und auch das Gegenteil ist möglich: eine scheinbare Tatsachenbehauptung kann eine Meinungsäußerung sein – und  so hat das OLG Köln nun seine Entscheidung begründet.

Um die Frage zu klären, ob im vorliegenden Fall ein Betrug vorlag, musste das Gericht wie erwähnt beurteilen, ob mit den Abmahnungen eine Täuschungshandlung verbunden war. Die erste Instanz, das Landgericht Aachen, hatte das bejaht, weil die Abmahnungen den Hinweis enthielten, der beteiligte Online-Händler handle selbst „in großem Umfang“ mit bestimmten Waren. (Das tat er aber gar nicht.)

Diese Einschätzung des Handelsumfangs des betroffenen Online-Händlers wirkt zwar auf den ersten Blick wie beweisbare Aussage, sie stelle jedoch, so das OLG,, keine Tatsache im Sinne des § 263 StGB dar. Folglich: Kein Betrug.

Und auch darin, dass der Rechtsanwalt in seinen Anschreiben so tat, als würden die Voraussetzungen für eine Abmahnung vorliegen (obwohl das nicht der Fall war) sei keine Täuschungshandlung.  Man müsse ja davon ausgehen, dass der Empfänger ein solches Schreiben, das von einem „Abmahnanwalt“ komme,  kritisch hinterfrage.

Damit waren die Voraussetzungen für einen Betrug für das OLG entfallen waren. Deshalb wurde der Punkt, dass die beiden Beteiligten untereinander vereinbart hatten, dass dem Online-Händler von dem Anwalt keine Gebühren für das Erstellen der Abmahnungen berechnet wurden, diese Gebühren jedoch gleichwohl von den Abgemahnten eingefordert wurden,  gar nicht mehr berücksichtigt.

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